Kreativität - was ist das?
Dieser Artikel wird etwas länger als gewohnt, weil dieses Thema so umfangreich ist. Und ich möchte mich nicht scheuen, auch mal negative Seiten unseres Hobbys anzusprechen, weil ich glaube, dass es uns in unseren Gedanken allen ähnlich geht.
Was ist genau eigentlich kreativ? Wer beurteilt das? Woher kommt Kreativität? Wie kann man Kreativität steigern? Warum ist überhaupt dieses Schlagwort in der - ich nenne es mal - Fotoszene so wichtig geworden? Kann man es mit der Kreativität bzw. mit dem Ruf danach vielleicht auch übertreiben?
Mir ist klar, dass bei Aufrufen zu Wettbewerben nicht stehen kann: "Ach egal, sendet einfach irgendein altes Zeug ein, Ihr braucht Euch auch gar nicht viel Mühe geben."
Natürlich nicht.
Allerdings stößt mich die seit Jahren inzwischen fast schon aggressiv formulierte Einforderung von Kreativität manchmal doch ein bisschen ab.
Denken wir mal genau über die üblichen Formulierungen nach:
- Zeigen Sie uns, wie kreativ Sie wirklich sind
- Zeigt uns Eure besten Bilder (ach nee!)
- Heben Sie sich aus der Masse heraus
- Wir suchen das Außergewöhnliche
- Wir wollen das noch nie dagewesene zeigen
- Zeigen Sie uns ihre einzigarten Bilder
Leute, jetzt mal im Ernst: EINZIG-Artig? Noch nie dagewesen? In was für einer Welt leben denn die Schreiber dieser Texte?
Wirklich echte "Einzig"-Artigkeit kann es meiner Meinung nach in unserer heutigen Fotowelt einfach nicht mehr geben. Du kannst das irrste Motiv unter den spektakulärsten Bedingungen mit der abgefahrensten Fototechnik ablichten - und Du kannst Dir in dem Moment sicher sein: Das hat jemand schon vor Dir gemacht. Und wer weiß - nicht vielleicht erst letztes Jahr, sondern schon vor 30 oder 40 - hat damals nur keiner gesehen!
Und hier kommt die Frage ins Spiel: Was bedeutet denn Kreativität für den Einzelnen?
Wikipedia formuliert die Definition so, dass ich das eher als "Innovation" bezeichnen würde:
"Kreativität ist die Fähigkeit, etwas zu erschaffen, was neu oder originell und dabei nützlich oder brauchbar ist."
Somit legt Wikipedia - ähnlich wie die Ausschreibenden der Fotowettbewerbe - den Fokus auf die Neuartigkeit.
Mir ist folgende Formulierung aus dem Netz viel näher:
"Fähigkeit eines Individuums oder einer Gruppe, in phantasievoller und gestaltender Weise zu denken und zu handeln."
Das klingt schon sehr viel realistischer. Denn der Mensch, der das erste Mal in seinem Leben eine Kamera in der Hand hat und alle möglichen Fototechniken für sich ausprobiert und damit eigene Bilder erschafft - der macht in dem Moment nichts Neues - aber er ist trotzdem kreativ.
Ich vermute, dieser ständige Ruf nach Neuem resultiert aus unserer in relativ kurzer Zeit veränderten Welt, aus der extremen Überflutung von uns allen mit tausenden Bildern jeden Tag - wenn wir das möchten, rund um die Uhr. In einem nie gekannten Ausmaß können wir uns im Zehntelsekundentakt die tollsten Fotos der Welt reinziehen, alles nur einen Wisch entfernt.
Es tritt eine Übersättigung ein, aus der einen nur noch Bilder herausreißen können, die auf ihre Art und Weise immer extremer werden. Gleichzeitig gehen in der Masse kleine Kunstwerke unter, die vielleicht einen zweiten, einen dritten Blick wert gewesen wären.
Wie kann man sich von diesem Umstand nicht unterkriegen lassen? Denn seien wir doch mal ehrlich - keiner fühlt sich ständig sprühend vor Kreativität mit einem Haufen brillanter neuer Bildideen im Gepäck. Wie kann man denn seine eigene Kreativität steigern?
Und da kommt mir sofort in den Sinn:
Ist das denn unbedingt nötig? Reicht es denn nicht mehr, Fotos zu zeigen, die Menschen berühren, die schön anzusehen sind, die einem Freude bereiten? Muss es denn wirklich immer brandneu sein, damit jeder Betrachter gleich in Ohnmacht fällt?
Nein. Ich bin ganz klar der Meinung: NEIN.
Man darf sich dadurch nicht den Spaß an seinen eigenen Kreationen verderben lassen, sich nicht überwältigen lassen von diesen Forderungen, selbst wenn die eigenen Bilder nur Alltägliches und Unspektakuläres zeigen.
Hauptsächlich muss es um das eigene Empfinden gehen, um den Spaß, den man beim der Tätigkeit Fotografie empfindet. Mal weggehen von diesem 'Kreativ-Druck', sondern einfach mal machen. In den Flow kommen, die Natur genießen. Experimentieren oder auch nicht.
Und sich von den Ergebnissen überraschen lassen.
Wie empfindest Du das?


















